Welche Philosophie steckt eigentlich hinter der erfolgreichen Marke ERCO.
Ein Interview mit dem Sprecher der Geschäftsführung, Tim Henrik Maack.
Was macht ein Produkt von ERCO aus?
Unser eigentliches Produkt ist weniger ein Hardware-Produkt wie die einzelne Leuchte, sondern ein Software-Produkt wie die Lichtstimmung in einem Gebäude. Die Magie des Lichts ist die ureigene Idee hinter allen ERCO Produkten. Insofern nehmen sich unsere Leuchten in ihrem Design dezent zurück. Sie sind in erster Linie Lichtwerkzeuge aus deren Kombination erst eine Beleuchtungsanlage entsteht, die dann im Raum für die entsprechende Lichtstimmung sorgt. Die Leuchte als Produkt hat somit eine dienende Funktion und hält sich im Hintergrund. Sie spielt eher in einem Konzert mit anderen, als dass sie selbst Solist ist. Leuchten in einer Beleuchtungsanlage sind somit Architekturdetails, die in Ihrer Designqualität lange halten müssen. Am besten sind oftmals solche Beleuchtungsanlagen, die man kaum im Raum wahrnimmt und die im Wesentlichen nur durch ihre hervorragende Ausleuchtung glänzen. ERCO Produkte zeichnen sich insofern durch hervorragende optische Eigenschaften aus, einen hohen Qualitätsstandard, ein langlebiges Design und die Kombinierbarkeit zu individuell ausgelegten Beleuchtungsanlagen.
Ist Designqualität schon immer ein Thema bei ERCO?
ERCO legte schon zu Zeiten meines Großvaters viel Wert auf die sorgfältige Gestaltung seiner Produkte. In den sechziger Jahren wurde jedoch der Schritt vom Design eines Einzelproduktes hin zum Systemdesign vollzogen. Als mein Vater Klaus Jürgen Maack in das Unternehmen eintrat, vollzog sich der Wandel von ERCO zum Anbieter für Architekturbeleuchtung. Was vorher noch die einzelne Leuchte über dem Küchentisch war, wandelte sich nun zu einem Werkzeugkasten für Beleuchtung. Dies erforderte auch eine andere Designhaltung. Die Ulmer Schule mit ihrem funktionalen Design gab hier die richtigen Anregungen und Impulse für ERCO. Gemündet hat das schlussendlich auch in der Zusammenarbeit mit Otl Aicher. Hier fand das funktionale Produktdesign seine äquivalente grafische Entsprechung. Produktdesign, Grafikdesign und Unternehmensarchitektur sind seitdem ein wichtiger Bestandteil der Unternehmenskultur. ERCO möchte auch immer ein Stück weit die Industriekultur prägen. Hierbei spielen alle Fragen der Gestaltung eine wichtige Rolle. ERCO versucht, seine Gestaltungsaufgaben ganzheitlich zu sehen. Ob Typografie, Grafik oder Produktdesign, von der einzelnen Leuchte bis zur Architektur, alles wird bei uns sehr sorgfältig durchdacht und gestaltet.
Welches Fachgebiet hat bei ERCO den größten Einfluss auf die Produktentwicklung?
Produktentwicklung von heute ist in erster Linie Teamarbeit und insofern im hohen Maße interdisziplinär. Design, Lichttechnik, Konstruktion und Elektronikentwicklung spielen alle in einem Team und ringen um das bestmögliche Produkt. Durch den Technologiewechsel von Analog zu Digital, also hin zur LED, hat sich auch unsere Kernkompetenz ein Stück weit verschoben. Wir sprechen heute von Optoelektronik, also der Mischung aus Optik, Elektronik und Informatik, wenn wir von der modernen Form der Lichttechnik reden. Diese hat mit Sicherheit einen wesentlichen Einfluss auf die Produktentwicklung. Es ist uns wichtig, dass LED Leuchten auch in ihrem Design ihre eigene eigenständige Ausdrucksform finden. Wir wollen halt keine Motorkutschen machen, sondern LED Leuchten, die wirklich aus der LED heraus gedacht sind. Alle Fragen der Optoelektronik haben somit den konzeptionellen Aufbau der Leuchten stark beeinflusst. Dies hat uns dabei geholfen, auch im Design zu neuen eigenständigen LED Lösungen zu kommen. Wenn man den alten Gestaltungsgrundsatz „form follows function“ ernst nimmt, hat die Technologie wie die Optoelektronik naturgemäß einen großen Einfluss auf die Produktgestaltung. Wir sind immer sehr daran interessiert, den jeweiligen Archetypen einer Produktkategorie zu finden und herauszuarbeiten. Am Ende muss das Produkt ganz natürlich erscheinen. Man darf ihm die Anstrengungen, die im Entwicklungsprozess lagen, nicht ansehen.
Wie denken Sie über die Nachhaltigkeit von Produkten?
Langlebigkeit der Qualität der Produkte und Langlebigkeit des Designs der Produkte waren schon immer ein wesentlicher Erfolgsbestandteil von ERCO. Schließlich sollen unsere Produkte als Architekturdetails lange ihren Dienst tun, ohne dass der Bauherr sich um sie kümmern muss. Durch die LED bekommt das Thema Nachhaltigkeit natürlich eine neue Dimension. Energieeinsparungen von 75% im Vergleich zu Altanlagen sind heute durch die LED kein Problem mehr. Energieeffizienz ist somit ein wichtiges Kriterium einer modernen Beleuchtungsanlage. Darüber hinaus finde ich, muss ein modern designtes Produkt auch recyclefähig sein. ERCO Leuchten bestehen zu einem Großteil aus Aluminiumdruckguss, welches an sich schon ein guter Wertstoff ist und sich gut wieder in die Wertschöpfungskette integrieren lässt. Wichtig ist es, glaube ich, auch beim Design darauf zu achten, dass es keinen kurzfristigen Moden unterliegt. Ein Produkt, das zu schnell aus der Mode kommt, ist meines Erachtens kein nachhaltiges Produkt.
Welche Priorität hat das Thema Markenführung in Ihrem Unternehmen?
Bei allen Dingen, die wir machen, legen wir sehr viel Wert darauf, die Dinge erst einmal ordentlich zu hinterfragen. Erst wenn wir den Sachverhalt richtig verstanden haben, machen wir uns daran, die Lösung zu finden. Dies ist eine Herangehensweise, die aus einer gewissen Haltung herrührt. Eine Haltung, die zu einer eindeutigen Handschrift führt und somit so etwas wie Marke ermöglicht. Wir orientieren uns sehr stark bei allem was wir tun am Gebrauch und an der Funktion, dessen was wir gestalten. Das schafft Klarheit und Eindeutigkeit. Marke ist somit bei uns kein Selbstzweck, sondern das Resultat einer Gestaltungspraxis. Insofern hat die Markenführung bei uns immer oberste Priorität. Vom kleinsten Detail bis zum großen Ganzen ist sie das Resultat eines immer fortschreitenden Gestaltungsprozesses. Ob gelbe Blumen, Zuckertütchen oder die Architektur bei ERCO, alles unterzieht sich erst einer sorgfältigen Analyse und wird dann sauber gestaltet. Wenn man das lange genug macht, kommt die Marke von ganz alleine. Marke bei ERCO ist somit in erster Linie das Resultat aus Konsequenz und Eindeutigkeit. Die Reduktion auf das Wesentliche steht hier klar im Vordergrund.
Welche Priorität hat das Thema Designqualität in Ihrem Unternehmen?
Eine ähnliche Priorität wie das Thema Markenführung hat auch das Thema Designqualität im Unternehmen. In gewisser Weise sind dies zwei Seiten einer Medaille. Gerade als mittelständisches Unternehmen sollte man diesen Themengebieten viel Aufmerksamkeit schenken, um eine Eindeutigkeit zum Markt hin zu ermöglichen. Wichtig ist, dass man nicht der Beliebigkeit anheimfällt. Design ist ein integraler Bestandteil der ERCO Unternehmenskultur. Wir wollen durch technologisch hervorragend designte Produkte und Lichtlösungen einen kulturellen Beitrag zu den Projekten leisten, die wir im Markt bearbeiten. Das ERCO Design soll in einem globalen Markt zum Verständnis der Funktionsweise eines Produktes beitragen, genauso wie es sich in eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Architekturen integrieren muss. Somit ist Design für uns ein wichtiger Mittler zwischen unterschiedlichen kulturellen Verständnissen und architektonischen Ausdrucksformen. Unser Design muss in einem traditionellen buddhistischen Tempel genauso gut funktionieren wie in einem modernen Museum. Nur wenn man dem Thema der Designqualität viel Aufmerksamkeit zukommen lässt, gelingen einem auch Lösungen, die in einer globalen Welt Bestand haben. Doch auch hier gilt „less is more“. Gerade weil wir in so vielen verschieden gebauten Umfeldern stattfinden, muss sich unser Design auch immer ein Stück weit zurücknehmen. Der Star ist die Architektur, die wir beleuchten, diese muss wirken, wir bleiben mit unseren Produkten dabei gerne dezent im Hintergrund.
Wie werden Markenführung und Designqualität im Arbeitsalltag umgesetzt?
Bei ERCO haben wir sehr viele gestalterisch gut ausgebildete Mitarbeiter an den verschiedensten Positionen im Unternehmen, ob dies nun Designer, Grafiker oder Architekten sind. Bei der Produktentwicklung, dem Marketing oder im Vertrieb ist das gestalterische Know-how gleichmäßig im Unternehmen verteilt. Ich selbst bin Architekt und habe somit auch meinen Spaß an einem gut gestalteten Umfeld. Doch selbst die Mitarbeiter, die keine explizite Ausbildung im gestalterischen Bereich haben, nehmen diese Themengebiete sehr wichtig. Sogar die Powerpoint Präsentationen, die innerhalb unseres Unternehmens gehalten werden, sind alle nach den gleichen Gestaltungsgrundsätzen gelayoutet. Dies ist identitätsstiftend nach innen genauso wie nach außen. Gerade im Arbeitsalltag zeigt sich, inwieweit Markenführung und Designqualität Bestandteil einer gelebten Unternehmenskultur sind. Wenn man diese Themen nicht im Alltag lebt und vorantreibt, hat man sicherlich eine große Chance vertan, in diesen Themen auch richtig gut zu werden. Man begibt sich dann schnell in die Gefahr, dass diese Themen künstlich und aufgesetzt wirken. Der Teufel steckt halt wie bei vielen Dingen im Detail und für gute Details braucht man viel Zeit.
Wo sehen Sie in Zukunft die Herausforderung für Ihre Branche?
Wir bei ERCO denken, dass es zur Zeit drei große Herausforderungen für die Unternehmen gibt. Da wäre erstens die Globalisierung. Dazu wurde in der Presse schon viel geschrieben. Wir selbst haben mittlerweile einen Exportanteil von 80% bei ERCO. Nichtsdestotrotz bleibt die Globalisierung sicherlich auch in Zukunft noch ein spannendes Thema. Zweitens gibt es das Thema der Digitalisierung. In der Leuchtenindustrie ist der Technologiewechsel zur LED noch allgegenwärtig. Wir bei ERCO haben zwar seit Anfang des Jahres unser Produktprogramm zu 100% auf LED umgestellt, doch denke ich, dass uns das Thema der Digitalisierung noch lange Zeit begleiten wird und dies sicher nicht nur in der Leuchtenindustrie. Drittens gibt es das Thema der Individualisierung. Der Kunde von heute möchte nicht mit Massenlösungen von der Stange abgespeist werden, sondern verlangt nach individuellen Lichtlösungen. Auch hier glaube ich, dass Individualisierung nicht nur auf die Leuchtenindustrie beschränkt ist, sondern dass wir es hier mit einem gesamtwirtschaftlichen Phänomen zu tun haben.